Vampyre
von Rochus Lynar
Was schwirrt, was rauscht durch die ächzende Luft
In ernster Mitternachtsstunde?
Auf flattert es da aus verfallener Gruft,
Nun schwärmt’s in weiter Runde.
Vampyre sind’s! Im Mondenschein
Entfliegen sie gerne dem Leichenstein.
Sie dürsten nach süssem, nach schäumendem Blut;
Und weckt sie die mondliche Helle,
Auf rauscht die gespenstig geflügelte Brut
Und sucht nach der purpurnen Quelle. —
Vernehmt nun, wie in dem Ungarland
Einst dies blutdürstige Unthier entstand.
Es wohnte in jenem verfallenen Schloß
Ein Fräulein von reizender Schöne;
Umlagert war sie vom Freiertroß
Der edelsten Ungarlandssöhne,
Doch reichte sie keinem den bräutlichen Strauß
Und alle gingen verhöhnt nach Haus.
Da kommt ein Ordensritter dahin,
Er will in der Burg sich erquicken:
Wie pocht ihm das Herz, wie schwindelt sein Sinn,
Als schlau ihn die Reize umstricken
Der holden Wirthin! Es weilt der Gast,
Von glühender Liebe urplötzlich erfaßt.
Und wahrlich, Elfriede war engelschön,
Ein Himmel im Aug’ ihr zu lesen;
Wer mocht in den lieblichen Zügen erspäh’n
Der Seele trügerisch’ Wesen?
Ihr listig lügender Liebesblick,
Er zog ihn an, er hält ihn zurück.
Bald reißt er das Kreuz sich von klopfender Brust,
Denn sie hat ihm Liebe geschworen;
Er wird sich des irdischen Himmels bewußt
Und den ewigen gibt er verloren:
Er lebt nur für sie, er betet sie an,
Ihm donnert vergebms der Ordensbann.
Da trifft auch ihn ihr vernichtender Spott
Und lächelnd spricht sie: Herr Ritter,
Nun gehabt Euch wohl und versöhnt Euch mit Gott
Und büßt im Kerkergitter;
Elfriede war ein zu hohes Ziel
Und was Euch beglückte, kurzweiliges Spiel.
Dem Ritter, vernehmend dies Donnerwort,
Versinken in Nacht die Sinne;
Bald will er sich rächen durch grausamen Mord,
Bald verachten die treulose Minne;
Doch endlich löst sich in Gram sein Schmerz,
Der ihm zermalmet das Felsenherz.
Die Scham zernagt ihm die innerste Kraft,
Durchsticht alle Lebensgetriebe;
So sinkt er, verzehrt von Leidenschaft,
Zusammen, ein Opfer der Liebe:
Da bricht ihm das Herz, das so stürmisch schlägt,
Und der Jüngling wird in das Grab gelegt.
Als die Mitternacht summte vom Kirchenthurm,
Kommt, durstig, ein Vampyr geflogen;
Ihn scheucht nicht der Regen, der heulende Sturm,
Noch hat er sich satt nicht gesogen:
Im Schloß ist ein reizendes Kämmerlein,
Da flattert er leise zum Fenster hinein.
Elfriede ruht auf dem Lager so mild,
Sanft athmend, die Lider geschlossen;
Der Unschuld, der Liebe verführerisch’ Bild,
Vom Zauber der Jugend umflossen.
Wie heimlich und still! —
Nur das Lämpchen ist wach;
Der Bräutigam schlüpft in das Brautgemach.
Und flattert um das reizende Bild,
So lüstern in zitternder Helle;
Da wird er von Lieb’ und Wuth erfüllt,
Er ahnet die purpurne Welle,
Drin seine Sehnsucht nun schwelgen kann:
Jetzt Vampyr, Vampyr, sauge dich an!
Und in die wallende Lilienbrust
Still wollüstig hat er gebissen,
Nun schlürft er das Blut, in gierigster Lust
Das herrliche Weib zu gemessen:
Saugt blässer und blässer ihr Rosengesicht,
Bis langsam ihr schlummerndes Auge bricht.
Da grämt sich der Vampyr nicht länger allein, S
ein Weibchen hat er gefunden;
Nun schwärmen sie im Mondenschein’
Vereint, in gespenstigem Bunde;
Und suchen nach Beute, nach purpurnem Blut,
Zu kühlen den Durst sehnsüchtiger Wuth.
๑۞๑ Related:๑۞๑
† Poetry
† Short Stories
Pingback: Admin stuff on the Poetry page xD | Scarlett Memories